Energieausstieg: Die große Chance der hohen Preise

Mit einem kleinen Solarpanel kann sich jeder Eigenheimbesitzer am Energieausstieg beteiligen.

Es ist der neueste Trick rechtspopulistischer Leugner: Sie behaupten, die Deutschen bezahlten den höchsten Strompreis auf der Welt, die Energiepreise stiegen immer weiter, der Winter werde kalt und schuld an allem sei die Klimapolitik der Bundesregierung und der EU, die durch horrende Preisaufschläge dafür sorge, dass sich der angeblich ganz normale Bürger bald keine Heizung und keine Auto- oder Bahnfahrt mehr leisten könne. Aber was ist wirklich dran an der Vorwürfen? Wieso schreiben plötzlich auch anerkannte Leitmedien wie der "Spiegel", die ARD oder auch die Süddeutsche Zeitung von Inflation, Geldentwertung und einer rätselhaften Kostenexplosion, gegen die selbst die mächtige EU kein Mittel weiß?

Hanebüchene Vorwürfe

Das Recherchezentrum PPQ hat die Argumente für steigende Preise gemeinsam mit Experten des Bundesblogampelamtes im mecklenburgischen Warin gesammelt, geprüft und gewogen, um herauszufinden, wie die Sachlage wirklich aussieht. Der PPQ-Faktencheck zeigt, wie hanebüchen der von Rechtsextremisten, Sachsen und liberalen Vielfliegern erhobene Vorwurf ist, Energie sei teuer, Benzin werde immer teurer und Schuld sei die Klimapolitik.
Vor fast zwei Jahren war es soweit: Deutschland übernahm beim Strompreis die Preisführerschaft weltweit. Ein kleiner Erfolg von EEG-Umlage, Umsatzssteuer, Netzabgabe, Konzessionsabgabe und sieben weiteren Zusatzsteuern, die dafür sorgen sollen, dass umweltfreundlicher Strom künftig mehr und mehr alle anderen Energiearten ablöst, so dass nach dem Steinkohleausstieg auch ein Ausstieg aus der Stromerzeugung per Braunkohle, Atom und schließlich Gas gelingen kann.

Damals schon klagten Rechtsextreme und Pendler-Lobyisten lauthals über die erreichten Fortschritte: Benzin für 1,25 Euro den Liter, Strom für knapp über 30 Cent pro Kilowattstunde und Gas für sieben Cent, das belaste vor allem die Armen, die bei Konservativen, Reichen und Liberalen immer herhalten müssen, wenn es darum geht, eine rückwärtsgewandte Klimapolitik zu verteidigen.

Populisten ziehen die Preiskarte

Wie falsch Populisten wie der ehemalige „Focus“-Chefredakteur Helmut Markwort lagen, zeigt sich heute: Als Markwort seien Klage erhob, lag der Preis der Kilowattstunde Strom bei 29,8 Cent, inzwischen ist er um weitere zwei Cent geklettert - aber dank der weitsichtigen Sozialpolitik der Bundesregierung ist nirgendwo ein Licht ausgegangen. Beim Benzin sieht es ganz ähnlich aus: Von 1,25 kurz vor Ausbruch der Corona-Krise kletterte der Preis auf nunmehr 1,60 Euro pro Liter. Doch als teuer empfinden das nur notorische Nörgler, denn während der Preis eines Bahntickets allein in den vergangenen zehn Jahren um ein Viertel gestiegen ist, liegt der Benzinpreis heute immer noch deutlich niedriger als vor neun Jahren. Der "Focus" hingegen, der 1995 noch umgerechnet knapp zwei Euro kostete, verlangt heute mit 4,70 Euro einen Preisaufschlag von rund 230 Prozent.

Wie können also neue Klimasteuern wie die EEG-Umlage oder die CO2-Steuer, die notwendig sind, um die Pariser Klimaziele zu erreichen, "die scheinbare Ursache" (Correktiv) sein für eine Entwicklung, die doch darauf zielt, langfristig durch die Energiewende an anderer Stelle erhebliche Kosten zu sparen? Nun, die Behauptung, dass die Förderung von Wind- und Sonnenenergie, die neuen Steuern auf Stromleitungen, auf CO2-Belastungen und andere Klimaschäden den Strompreis, den Preis für Gas, Heizöl und Benzin in die Höhe treibe, ist so nicht richtig. 

Steuern sind nicht der ganze Preis

Die Fakten: Beim Benzin machen Steuern nur rund 64 Prozent am Endpreis aus, der Rest fließt in die Taschen der großen Öl-Multis aus Russland, Sausi-Arabien und Venezuela. Bei Benzin beispielsweise liegt der Energiesteuersatz bei nur etwa bei 65,45 Cent je Liter, dazu kommen Umsatzsteuer und CO2-Abgabe. Ähnlich sieht es beim Strom aus: Hier sind die Kosten für Privathaushalte zwischen den Jahren 2000 und 2021 von durchschnittlich 14 Cent pro Kilowattstunde auf weit über das Doppelte gestiegen, doch wahr ist auch, dass sich Deutschlands Stromverbraucher von diesem Geld eine weltweit einmalige Erneuerbare-Energien-Wirtschaft aufgebaut hat. Und das, obwohl staatliche Umlagen, Abgaben und Steuern nur rund 80 Prozent des Strompreises ausmachen und der Rest fast vollständig in die Taschen von weltweit agierenden Großkonzernen fließen, die natürlich darauf schauen, möglichst hohe Profite zu machen.

Betrachtet man den Strompreis ohne staatliche Umlagen, läge er mit etwa 7,5 Cent immer noch weit über dem, was Haushalte für einen Liter Leitungswasser bezahlen müssen. Die Umlagen für die Klimarettung, um  die Deutschland nicht herumkommt, sind also ein schlechter Maßstab für die Entwicklung der Belastung der Verbraucher durch Stromkosten. Viel entscheidender ist der Fakt, dass der Strompreis für Haushalte seit zuletzt kaum mehr gestiegen ist, vergleicht man ihn mit dem Preis für Benzin, Gas, frisches Obst, Bahnfahrkarten oder Urlaubsreisen. 

Sechs Jahre Strom dank Amazon

Nur weil etwas teuer aussieht, muss es das also noch lange nicht sein. Wer zum Beispiel vor zehn Jahren eine Aktie des Onlinehändlers Amazon besaß, konnte sich damals als Alleinlebender nach einem Verkauf an der Börse vom Erlös etwa ein Vierteljahr lang beleuchten lassen, fernsehen, den Kühlschrank und die Waschmaschine betreiben. Heute sieht das ganz anders aus: Eine Amazon-Aktie reicht inzwischen, die Stromrechnung sechs Jahre lang zu bezahlen.

Von wegen Preissteigerung! Ganz offenbar ist Strom durch die kluge Politik von Bundesregierung und EU sogar billiger geworden. Der Vorwurf rechtspopulistischer Kreise, dass die Kosten der Klimarettung nicht gerecht auf alle verteilt werden, entpuppt sich damit als typische Populisten-Propaganda. Jeder hatte vor zehn Jahren die Möglichkeit, sich zur Vorsorge eine oder mehrere Amazon-Aktien zuzulegen, selbst vergleichsweise arme Bürgerinnen und Bürger hätten mit einer Sparrate von nur 31 Cent am Tag - umgerechnet heute der Preis, den es kostet, sieben Stunden den Fernseher laufen zu lassen -  eines der Wertpapiere ergattern können. Wer das mutwillig nicht getan hat, darf nun eigentlich nicht klagen, wenn er aufgefordert wird, seinen Beitrag zur Energiewende auf andere solidarische Weise zu leisten.

Jeder Cent ist Dividende

Jeder zusätzliche Cent, der als Aufschlag auf den Strom- oder Benzinpreis an den Staat fließt, die Entwicklung voranzutreiben. Langfristig betrachtet zahlt sich die Energiewende nach Recherchen des Faktenchecker-Kollektivs Correctiv dann auch für diese Verbraucherinnen und Verbraucher aus. Die Kosten für Erneuerbare-Energien-Technologien sind in den letzten Jahren erheblich gesunken, so dass Windfarmen und Solaranlagenbetreiber höhere Gewinne einstreichen. Dadurch zieht es mehr Investoren in die Erzeugung von Ökostrom und so wird langfristig auch die Belastung auf den Strompreis der zumindest der Endverbraucher zurückgehen, die dann noch am Leben sind. Schon heute senkt die Stromerzeugung mit erneuerbaren Energien die Strompreise an der Börse, ab 2038, wenn die Energiewende vollendet ist, stehen mit Sonne und Wind ausschließlich Energielieferanten bereit, "die keine Rechnung stellen", wie es bei Correctiv heißt. 

Eine Studie über den volkswirtschaftlichen Nutzen des Klimaschutzes im Auftrag von Germanwatch zeigt, dass bis 2050 der Nutzen die Kosten des Klimaschutzes um mehr als das Dreifache übersteigen wird. Das heißt, dass jeder Teilnehmer am Umbau dreifach profitieren wird: Wer heute 600, 900 oder 1.200 Euro Stromkosten im Jahr beklagt und jammert, dass die jüngsten Daten des Statistischen Amtes der Europäischen Union zeigen, ist der deutsche Strompreis für private Haushalte wie für die Industrie nicht nur höher als der europäische Durchschnitt, sondern am höchsten weltweit ist, sollte einfach abwarten. Spätestens ab 2039 wird die Dividende gezahlt, je nach Anteil ein Betrag von 1.800 bis 3.600 Euro.

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